Es ist ein Schnitter heißt der Tod



Sucht man nach Strophen des um 1630 sehr bekannten Liedes „Es ist ein Schnitter heißt der Tod“, „Der Tod als Schnitter“ oder einfach nur „Schnitterlied“ findet man doch sehr viele. Allein die gescannte Version eines Druckes aus dem Jahre 1639, die in der Deutsche Digitale Bibliothek zu finden ist, zeigt 16 Strophen auf, andere Quellen führen zu weiteren Strophen.

Die Zeit um 1630 war die Zeit, in der die Hexenverfolgungen in Europa ihren Höhepunkt noch nicht überschritten und der Dreißjährige Krieg (1618-1648) eine Hochphase (Eintreffen der Schweden) nach einem gescheiterten Friedensversuch (1629; Friede von Lübeck) hatte; eine Zeit, in der die „kleine Eiszeit“ (eine Periode des kühlen Klimas von Anfang des 15. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert; ist unsere „Klimakatastrophe“ dann nicht einfach das Verlassen dieser kleinen Eiszeit in Richtung zur Normalität? Aber so etwas darf man heute noch nicht mal denken, sonst wird man als Hexe verbrannt...) erhebliche Schwankung nach unten (etwa 1570 bis 1630) aufzeigte, und im Tagebuch des Friedrich Rüttel (Stuttgart) für den 24. Mai 1626 Hagel von mehr als einem Meter Höhe verzeichnet ist. Für den 26. Mai schrieb Rüttel von schneidend kaltem Nordwind und für den 27. Mai von so starkem Frost, dass das Wasser einfror und nicht nur Wein, Roggen und Gerste, sondern sogar das Laub an den Bäumen schwarz wurde. Wie 1815 wurde auch das Jahr 1626 „das Jahr ohne Sommer“ genannt. Es war die Zeit, in der das „Tractatus de confessionibus maleficorum et sagarum“ („Von Bekanntnuß der Zauberer unnd Hexen“ Peter Binsfeld;1589) in den Amtsstuben neben dem „Malleus maleficarum“, dem Hexenhammer (Heinrich Kramer; 1486, bis ins 17. Jahrhundert in bald 30.000 Exemplaren gedruckt) stand. Übrigens ist es zum Thema der Hexenverfolgung falsch, Rom und (nur) die katholische Kirche damit anzuklagen, (mehr weltliche) deutsche Fürstbischöfe handelten hier oft nicht im Einverständnis mit dem Vatikan und säkulare Befindlichkeiten, Neidschaften und Zwistigkeiten konnten mit einer Hexenverbrennung oft schnell und gut gelöst werden (ab und zu brannten auch Männer). Und sich mit Luther und seinem Aufruf zur Hexenjagd (Hexenpredigt vom 6. Mai 1526) auseinander zu setzen, ist angeraten.

Eine Wetterhexe konnte man leicht finden (übrigens kann man das auch heute noch) und Schuld auf sie abladen. (Vgl. Konstantin Weckers Hexeneinmaleins: „Immer noch werden Hexen verbrannt auf den Scheiten der Ideologie. Irgendwer ist immer der Böse im Land und dann kann man als Guter und die Augen voll Sand, in die heiligen Kriege ziehn.“)

Im Jahr 1630 wurde im katholischen Bamberg die neunhundertste Hexe verbrannt, im lutherischen Mecklenburg die tausendste (im calvinistischen Bern wurde diese Zahl sogar schon zehn Jahre früher erreicht) und in Kurmainz die zweitausendste. Zeitgleich wüteten die Schlachten des Dreißjährigen Krieges, der einer der blutigsten und brutalsten Kriege Europas war, hauptsächlich im deutschsprachigen Raum stattfand und sich bis heute in das kollektive deutsche Unbewusste hineinfraß. Nur kurze Zeit später wurden in Magdeburg über 20.000 Menschen grausam niedergemetzelt (so schreibt der kaiserliche General Pappenheim im Mai 1631: „Ich halt, es seyen uber 20.000 Seellen darüber gegangen, und es ist gewiß seit der Zerstorung Jerusalem khein greilicher Werckh und Straff Gottes gesehen worden.“) Es war eine Zeit, in der, durch die fanatischen Kriegshandlungen und extremen Wetterbedingungen verursachte Hungersnöte, die entkräfteten Menschen in Seuchen und damit in den Tod geführt und ganze Landteile entvölkert wurden; aus Aufzeichnungen wissen wir um die Bevölkerung Süddeutschlands, die sich in einigen Landstrichen auf ein Drittel reduzierte. Es war eine Zeit, in der Menschen mit Tod und Sterben, mit Elend, Armut und Not und mit der Existenzfrage ganz anders und vor allem viel öffentlicher konfrontiert waren als wir es heute sind: Der Tod war greifbarer als heute. Sehr wertvolle Lieder entstammen dieser Zeit, so auch das „Schnitterlied“.




Der Tod kommt als Schnitter, das Bild des Sensenmannes wird thematisiert. Der Tod kommt und schneidet, senst das Leben hinweg. Die Unterschiedlichkeiten menschlichen Seins, die durch die verschiedenen „Blümelein“ dargestellt sind, sind hierbei egal. Der Tod senst jeden hinweg - im Tod sind die Menschen wieder gleich, „es hilft da kein Bitten, heut werdt ihr abgschnitten“ und dann, wenn „bald werden sie bleichen, all's Schöne muß weichen“ eingetreten ist, dann „liegens beisammen, man weiß kaum den Namen“. Mit brutaler Offenheit wird die Vergänglichkeit des Lebens aufgezeigt. Ein düsteres Lied, wäre da nicht die letzte Strophe, in der die Hoffnung auf Gott und das gelenkt wird, was danach kommen wird. Ein trostloses Lied, wäre da nicht diese hoffnungsfrohe letzte Strophe!



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1 Es ist ein Schnitter, heißt der Tod,
hat Gwalt vom großen Gott.
Heut wetzt er das Messer,
es geht schon viel besser,
bald wird er drein schneiden,
wir müssen's nur leiden.
Hüt dich, schöns Blümelein!


2 Was jetzt noch grün und frisch dasteht,
wird morgen weg gemäht:
die edel Narzissel,
die englische Schlüssel,
die schön Hyazinthen,
die Türkische Binden:
Hüt dich, schöns Blümelein!


3 Viel hunderttausend ungezählt,
da unter die Sichel hinfällt:
rot Rosen, weiß Lilien,
beid wird er austilgen;
ihr Kaiserkronen,
man wird euch nicht schonen:
Hüt dich, schöns Blümelein!


4 Du Nelkelein mein edler Schatz
Findst auch beim Schnitter kein Blatz
Ich gnieß dein nit mehr
jetzt kommt er daher
Bald wirstu verbleichen
All Schönheit muss weichen
Hüt dich, schöns Blümelein!


5 Du himmelblaue Bittersüß
Und ihr tollen Hahnenfüß,
Ihr hübschen Lavandel
Ihr ausgereckte Handel
Es hilft da kein Bitten
heut werdt ihr abgschnitten
Hüt dich, schöns Blümelein!


6 Er macht so gar kein Unterschied,
Geht alles her in einem Schnitt
Der stolz Ritter Sporen
Und Blumen von Koren
da liegens beisammen
man weiß kaum den Namen
Hüt dich, schöns Blümelein!


7 Und wenn sie nun sind schnitten ab,
so heißen sie alle Schabab,
ach wie sie da liegen,
als wärens in Zügen
bald werden sie bleichen,
all's Schöne muß weichen.
Hüt dich schöns Blümelein!


8 Trutz Tod, komm her, ich fürcht dich nit,
komm her und tu deinen Schnitt!
Wenn er mich verletzet,
so werd ich versetzet,
In himmlischen Garten,
Darauf will ich warten.
Freu dich, schöns Blümelein!


Ich mag das Lied sehr gerne, die Melodie ist wunderschön und absolut für die Drehleier geschaffen und der Text macht denkend. Er macht denkend über das Sein und den Sinn des Lebens. Sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinander zu setzen macht demütig und zeigt auf, dass der Mensch aus sich heraus nichts vermag, dass der Mensch sich sehr oft absolut überhöht. Und je mehr sich der Mensch von Gott und Glauben entfernt, umso mehr überhöht er sich, wird sein eigener Schöpfer (will beispielsweise sein Geschlecht ändern) und greift zerstörend in das Werk Gottes ein, hinterläßt Ratlosigkeit, Verderben, Gewalt und Elend und treibt die Selbstmordraten in die Höhe.

Mensch, werde dir doch endlich darüber bewußt, dass du nackt in diese Welt gekommen bist und nach kurzer Zeit auch wieder nackt gehen wirst. Warum, so frage ich mich und vor allem frage ich dich: Warum prügelst du dich deine kurze Lebenszeit um all die Sachen, die du am Ende deiner irdischen Existenz doch nicht mitnehmen kannst? Warum machst du in dieser kurzen Lebenszeit dir und den anderen Menschen das Sein so schwer? Ist das wirklich dein Lebenssinn? Oder sollte es da etwas anderes geben?


Die letzte Strophe des Liedes


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