Herzliebster Jesu

Das Lied „Herzliebster Jesu“ das im Buch Praxis Pietatis Melica (Übung der Gottseligkeit in christlichen und trostreichen Gesängen) aus dem Jahr 1647 von Johann Crüger noch den Titel „Des Leydens Christi Ursach / aus Augustino“ trägt, ist ein heptatonisch aeolisches Passionslied, das heute sowohl im katholischen Gotteslob (Nr. 290), als auch im evangelischen Gesangsbuch (Nr. 81) zu finden ist (allerdings mit unterschiedlicher Textauswahl). Mit einer Weiterentwicklung der Melodie von Guillaume Franc aus dem Jahr 1543 hat das Lied heute einen Ambitus von neuneinhalb Tönen und ist dadurch recht einfach sing- und spielbar.



Basierend auf einem Gedicht von Johann Heermann aus dem Jahr 1630 schuf Johann Crüger dieses großartige Lied. In den ersten drei Strophen wird nach den Verbrechen Jesu gefragt, die einen solchen Martertod am Kreuz als Folge hat. Aber schon in der dritten Strophe wird festgestellt, dass es nicht die Verbrechen des Gottessohnes sind, die hier gesühnt werden. In den nachfolgenden Strophen wird das Verhalten der Menschen dem Verhalten Gottes gegenüber gestellt und es wird die große Güte Gottes aufgezeigt. Das Lied zeigt die Soteriologie (Erlösungslehre) christlichen Denkens wunderbar auf: Der Sühnetod des Gottesknechtes, der das Lamm Gottes ist, das sich selbst geopfert hat, um die Menschen zu retten.



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Von den 15 Strophen, die im Netz im Original gefunden werden können, habe ich elf ausgewählt, gespielt und gesungen (die nicht gesungenen Strophen sind ausgegraut). Sicher kommt jetzt die Frage, warum ich (auch) die 10. Strophe ausgelassen habe, die sich mit der (an dieser Stelle undifferenzierten) Fleischeslust und den daraus resultierenden möglichen Problemen (wie etwa ungewollte Schwangerschaft und Abtreibung) befasst: Ich hätte an dieser Stelle zu viel schreiben müssen und hätte wahrscheinlich mit dem Lied dann einen anderen Schwerpunkt gelegt. Wer mich aber kennt, weiß, dass ich mit dem Thema nicht durch bin.



Text:

1. Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen,
daß man ein solch scharf Urteil hat gesprochen?
Was ist die Schuld, in was für Missetaten
bist du geraten?

2. Du wirst gegeißelt und mit Dorn gekrönet,
ins Angesicht geschlagen und verhöhnet,
du wirst mit Essig und mit Gall getränket,
ans Kreuz gehenket.

3. Was ist doch wohl die Ursach solcher Plagen?
Ach, meine Sünden haben dich geschlagen;
ich, mein Herr Jesu, ich hab' dies verschuldet,
was du erduldet.

4. Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe!
Der gute Hirte leidet für die Schafe,
die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte,
für seine Knechte.

5. Der Fromme stirbt, der recht und richtig wandelt,
der Böse lebt, der wider Gott gehandelt;
der Mensch verdient den Tod und ist entgangen,
Gott wird gefangen.

6. Ich war vom Fuß auf voller Schand und Sünden
Bis zu der Scheitel war nichts guts zu finden.
Dafür hätt ich dort in der Hölle müssen,
ewiglich büßen.

7. O große Lieb, o Lieb ohn alle Maße,
die dich gebracht auf diese Marterstraße!
Ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden,
und du mußt leiden.

8. Ach großer König, groß zu allen Zeiten,
wie kann ich g'nugsam solche Treu ausbreiten?
Keins Menschen Herz vermag es auszudenken,
was dir zu schenken.

9. Ich kann's mit meinen Sinnen nicht erreichen,
womit doch dein Erbarmung zu vergleichen;
wie kann ich dir denn deine Liebestaten
im Werk erstatten?

10. Doch ist noch etwas, das dir angenehme,
wann ich des Fleisches Lüste dämpf und zähme.
Daß sie auf's neu mein Herze nicht entzünden
mit alten Sünden.

11. Weil aber dies nicht steht in eignen Kräften
dem Kreuze die Begierden anzuheften.
so gib mir deinen Geist der mich regiere
Zum Guten führe.

12. Alsdann so werd ich deine Huld betrachten,
Aus Lieb an dich die Welt für nichts erachten.
Ich werde mich bemühen deinen Willen,
stets zu erfüllen.

13. Ich werde dir zu Ehren alles Wagen,
kein Kreuz nicht achten, keine Schmach und Plagen,
nichts von Verfolgung, nichts von Todesschmerzen
nehmen zu Herzen.

11. [Weil's aber nicht besteht in eignen Kräften,
fest die Begierden an das Kreuz zu heften,
so gib mir deinen Geist, der mich regiere,
zum Guten führe.]

14. Dies alles ob's für schlecht zwar ist zu schätzen,
Wirst du es doch nicht gar bei Seite setzen.
In Gnaden wirst Du dies von mir annehmen,
mich zu beschämen.

15. Wann, o Herr Jesu, dort vor deinem Throne
wird stehn auf meinem Haupt die Ehrenkrone,
da will ich dir, wenn alles wird wohl klingen,
Lob und Dank singen.



Den Liedtext habe ich aus der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, der digitalen Bibliothek der Universität Halle (an manchen Stellen musste ich ein wenig anpassen). Es ist so wertvoll, dass immer mehr alte Werke digitalisiert und der Welt zur Verfügung gestellt werden, vielen Dank dafür!





Der Karfreitagsaufstieg auf den Kalvarienberg in Roßhaupten ist ein ganz wertvolles Ereignis. Als ich den Aufstieg vor vielen Jahren mit einem Alter unter 40 Jahren das erste Mal machte, fiel mir auf, dass die Roßhauptener Alten den Weg problemlos betend und singend gingen und ich nur keuchend hinterher kam. Man hat eben im Voralpenland eine ganz andere Kondition, als der Ruhrgebietler.
Dann kam meine Weihe zum Diakon (2015) und im darauffolgenden Jahr durfte ich in einer Pfarrei im Bistum Essen das erste Mal am Fronleichnahmsfest die Monstranz tragen. Hinter mir gingen die zwei Himmelträger, denen zwei Gemeindereferentinnen in Ausbildung und eine fertige Gemeindereferentin folgten. Ich fragte mich, während ich die Monstranz trug, ob ich da richtig hören würde. Später wurde es mir von mehreren Gemeindemitgliedern bestätigt, die mich als Ansprechpartner suchten und sich über den Austausch von Kochrezepten der drei Kirchendamen beschwerten.
Bei einer Prozession in Roßhaupten habe ich (obwohl da auch immer junge Familien mit kleinen Kindern mitgehen) noch nie erlebt, dass da ein Austausch über andere Themen stattgefunden hat. Beim Aufstieg auf den Roßhauptener Kalvarienberg wird der Rosenkranz gebetet, an den Stationen werden die Kreuzwegstationsandachten gehalten und es werden Passionslieder gesungen. Ist das eine andere Glaubenstiefe in Bayern? Was macht den Unterschied zwischen dem Bistum Augsburg und dem Bistum Essen?



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Ulrich Franzke <sinus@ulrich-franzke.de>