Mit dem Motorschirm über Bochum
Viele Jahre habe ich davon geträumt, einmal mit dem Motorschirm
über Bochum zu fliegen. Mit der Öffnung des Sonderlandeplatzes Waltrop
vor einigen Jahren ist der Überflug wahrscheinlicher geworden, von Waltrop
nach Bochum sind es nur etwas über 20 Kilometer. Am Samstag, dem 22.
August 2009 war es so weit, die Windprognose sagte für den Abend
Nordwind voraus und die Luft war klar und ruhig. Ich fragte meinen Freund
Martin, ob er Lust auf Bodendienst habe und mit mir mitkommen
würde. Martin hatte Lust auf solch ein Abenteuer und begleitete mich
zum Flugplatz.
Um 18 Uhr startete ich von Waltrop problemlos und trat meinen Flug an.
Der Start wurde von Martin ausgiebig gefilmt, meine Landung wollte er auch
festhalten. Die Orientierung in der Luft war
einfach, schon ab der Ortsmitte von Waltrop konnte ich
den 20 Kilometer entfernten Funkturm von Bochum und all die davor liegenden Orientierungspunkte sehen, ein Abdriften in den Luftraum des Dortmunder Flughafens war damit ausgeschlossen.
Den direkten Weg flog ich aber nicht, immer wieder machte ich kleine Umwege, um Wald- oder Stadtgebiete zu meiden. Im Falle einer Notlandung möchte man es
doch komfortabel haben. Notlandungen hatte ich in meiner fliegerischen Laufbahn
schon genug und die Bochumer Innenstadt würde mich noch genug fordern.
Ich freute mich auf das vor mir stehende und genoß meinen Flug in vollen Zügen.
Auf dem nebenstehenden Bild ist das Steinkohlenkraftwerk Gustav Knepper im Dortmunder Stadtbezirk Mengede und im Hintergrund das Autobahnkreuz Castrop-Rauxel-Ost (A42 - A45)
zu sehen.
Trotz leichtem Gegenwind kam ich gut voran, über die Ausläufer von Dortmund und über Castrop-Rauxel erreichte ich alsbald den Bochumer Stadtteil
Gerthe. Von hier steuerte ich Grumme an. Es war ein hervorragendes Flugwetter und die Abendsonne (sofern nicht ein paar Wölkchen davor standen) tauchte das unter mir liegende Land in wunderschöne Farben.
Im Bild die St. Liborius Kirche in Bochum Grumme, rechts dahinter die Liboriusschule, auf die meine Tochter Esther seit ein paar Tagen geht und rechts
davor der St. Liboriuskindergarten, den meine andere Tochter Sarah derzeit
besucht.
Über Grumme erschien mir alles ganz nah, sowohl das Bergbaumuseum als auch das
Fußballstadion lagen in nur kurzer Entfernung. Und tatsächlich ist alles mit dem Motorschirm sehr schnell erreichbar, es gibt oben in der Luft ja auch
keine Ampeln und komplizierten Verkehrsführungen.
Als nächstes steuerte ich das Ruhrstadion an. Auf dem nebenstehenden Photo ist
der neue Name rewirpowerstadion über dem rechten unteren Eingang
sogar lesbar.
Wie viele Photos verträgt ein Flugbericht? Wie viele Photos dürfen es sein?
Ich habe es mir zur goldenen Flugberichtsmaxime gemacht, die Zahl 10 nicht zu
überschreiten - was mir auch oft gelingt. Auf diesem Flug machte ich 465 Bilder in der Luft, die meisten davon brauchbar.
In einer ersten Auswahl am gleichen Abend fand ich 70 Bilder, die ich gerne für
einen Flugbericht verwendet hätte. Eine weitere Auswahl beschränkte die
Zahl der Bilder auf etwas über 30. Und nach einer riesengroßen Anstrengung
und Überwindung sind es nun 18 Bilder, die ich für diesen Flugbericht
verwende. Die Auswahl ist mir sehr schwer gefallen.
Vom Stadion drehte ich eine große Linkskurve, um über unsere
Wohngegend zu kommen. Im Bild ist entlang der Castroper Straße der schon von Waltrop aus sichtbare Bochumer
Funkturm, die JVA und das Ruhrstadion zu sehen. Rechts im Vordergrund liegt die (tatsächlich so benamte) II. Parallelstraße, die in einem 90 Grad
Bogen senkrecht auf die I. Parallelstraße mündet. Tja ja, die Bochumer,
die Unendlichkeit und die sich kreuzenden Parallelen, dieses Photo liefert den Beweis...
Deutlich ist auf dem nebenstehenden Bild in der Straßenmitte das rote
Bobby-Car mit Anhänger von Linus, dem kleinen Nachbarjungen zu sehen.
Genauso deutlich sind neben dem gerade aufgestandenen Fahrer Linus auch noch Esther, Sarah und Astrid (direkt vor der Haustür) zu sehen.
Meinem Antrag auf Umbenennung unserer Straße in Sesamstraße ist noch
nicht stattgegeben worden.
Als nächstes wollte ich ein paar Bilder von der Bochumer Innenstadt machen und
steuerte das im nebenstehende Bild photographierte St. Josef-Hospital am Bochumer
Stadtpark an. Auffällig ist die enorme Bautätigkeit an fast allen Bochumer
Krankenhäusern in den letzten Jahren, die sich in großen Anbauten
äußert.
Das Planetarium und die daneben liegende Synagoge waren der nächste Punkt des
Fluges. Von links unten nach rechts oben zieht sich auf dem nebenstehenden Bild die
Castroper Straße.
Will man von hier weiter über die Bochumer Innenstadt fliegen, verliert man
alle brauchbaren Notlandeplätze. Von der Synagoge aus kann man noch gut den Kirmesplatz an der Castroper Straße erreichen, der bei schwachem Wind für
eine Notlandung noch
geeignet erscheint. Bei stärkerem Wind würde man da allerdings im Lee der
hohen Bäume sicher sehr unsanft landen. Bei stärkerem Ost- oder Westwind
wäre nur noch das Gelände um die Fiege-Brauerei am Bochumer Bahnhof
geeignet.
Ich entschloß mich also einfach dafür, nicht notlanden zu müssen
und wagte mit einem brav tuckernden Motor auf dem Rücken und
ausreichender Sicherheitshöhe den Überflug.
Im nebenstehenden Bild ist die Augusta-Kranken-Anstalt zu sehen, in der meine beiden
Kinder auf die Welt kamen. Auch hier sind in den vergangenen Jahren viele Gelder in
Neubauten und Erweiterungen geflossen.
Das Bochumer Bergbaumuseum mit seinem fast 72 Meter hohen Förderturm, hier im Bild, ist etwas, was bei einem Flug über
Bochum auf jeden Fall photographiert werden muss.
Mehrfach war ich schon auf diesem Förderturm, das letzte Mal sogar dieses Jahr
bei der langen Nacht der Industriekultur Extraschicht am 29. Juni. Aber
bisher habe ich es nur einmal geschafft
(und das war in den 1980ern), von der mit dem Aufzug erreichbaren Aussichtsplattform in 50 Metern über dem Boden auf die obere in
62 Metern Höhe zu kommen, obwohl ich es bei jedem Besuch probierte. Dabei sind
die ersten fünf Stufen der hochführenden Treppe sogar fast noch einfach zu
schaffen...
Die Autos vor der Propsteikirche St. Peter und Paul
zeigen die Vorabendmesse an. Würde man die
Uhr des Kirchturmes nicht so gut lesen können, könnte man immer noch den
Pfarrnachrichten entnehmen, dass es nach 18 Uhr 30 sein müßte. So aber
kann man es sehen: Kurz nach 19 Uhr. Und die langen Schatten und das abendliche Licht
bestätigen es zusätzlich.
Bei diesen Luftbildern von Bochum fällt es auch mir schwer zu glauben, dass sie
wirklich nicht aus dem Flugzeug, sondern mit dem Motorschirm gemacht wurden. Und
außer dem nebenstehenden Photo gibt es in diesem ganzen Flugbericht nur noch
das Bild vom Stadion, auf dem man ein Stück Bein erahnen kann. Für alle,
die schon mal aus dem Flugzeug das Bein zum Fenster heraus geschoben haben und wissen, dass das sehr viel Mühe kostet, ist dies der Beweis: Ich fliege mit
dem Motorschirm über Bochum.
Und der Fuß befindet sich gerade genau über dem Imbuschplatz und zeigt
auf das Bochumer Redemptoristenkloster und das St. Vinzenz Kinderheim an der Klosterstraße Ecke Nordring.
Über dem Redemptoristenkloster gibt es wieder erreichbare
Landemöglichkeiten, wie etwa den Westpark um die in der nebenstehenden Bildmitte gut sichtbare Jahrhunderthalle. Im Vordergrund ist das Werk
Gußstahlfabrik des Bochumer Vereins zu sehen, in dem noch heute unter
anderem die Radsatzrohlinge für ICE-Züge gefertigt werden.
Der Westpark gehört zu den Naherholungsattraktionen Bochums. Sehr liebevoll
ist er ausgebaut und ein Anziehungspunkt für viele, die sich im Schatten von
Industriekultur und Natur wohlfühlen. Der bald schon englische Rasen auf der einen Seite trifft unmittelbar auf Wildwiesen auf der anderen Seite. Die auf dem
Reißbrett geplanten Stellen der Baumpflanzungen treffen auf den undurchdringlichen Urwald aus Bäumen und Sträuchern. Und zwischendurch
kommt man immer wieder an eine mit alten Ziegelsteinen ummauerte Stahlstrebe, von der der Rost nur noch ein rudimentäres Skelett gelassen hat, an einen verrosteten Stahltank oder sonstige Relikte der stahl- und kohlengeprägten
Bochumer Vergangenheit. Durchbrochen wird
der Park an vielen Stellen durch das akkurat angelegte Wasser, an deren Ufer die Städter Erholung finden und durch mehrere Brückenanlagen, die zum Teil
auch mit Sitzmöglichkeiten ausgestattet sind.
Bochum hat in den letzten Jahren einige
dieser wertvollen Inseln geschaffen und den Wohnwert und die Lebensqualität
damit erheblich gesteigert.
Bochum ist eine schöne Stadt!
Zurück ging der Flug über die Bochumer Innenstadt und dem Rathaus, das
hier genau in der Bildmitte zu sehen ist.
Ab dem Beginn der Castroper Straße ist im Falle einer Notlandung
das schlimmste geschafft, wenn man ausreichend Höhe hat. Dann erreicht man wieder den Kirmesplatz, der hier im
oberen rechten Bildquadranten zu sehen ist. Wieso ist die Bochumer Innenstadt aber kritisch? Man kann doch einfach etwas höher fliegen und durch ausreichende
Flughöhe dafür sorgen, dass man immer wieder an einer sicheren und
ausreichend großen Stelle ausserhalb der Innenstadt landen kann.
Eben nicht - zwar geht es bei einem Motorausfall nicht senkrecht nach unten und man
könnte mit ausreichender Höhe problemlos dafür sorgen, weitab
der Innenstadt sicher zu landen. Aber, genauso wie die meisten anderen
Ruhrgebietsstädte, hat Bochum wegen der nahegelegenen Flughäfen
Düsseldorf und Dortmund einen Deckel drauf. Etwa einen Kilometer darf man
hoch, dann ist Schicht.
Noch einmal überflog ich unser Wohngebiet und machte ausreichend Photos. Das
Schöne am Motorschirmfliegen ist die Entschleunigung und Langsamheit;
entgegen dem Flug mit dem Flugzeug
gleitet man mit dem Motorschirm mit unter 40 km/h durch die Luft und hat dadurch
wesentlich mehr Möglichkeiten, die unter einem liegende Landschaft zu
genießen und Photos zu machen.
Dann trat ich meinen Rückflug nach Waltrop an. Nach kurzem Weiterflug
machte der zuvor brav tuckernde Motor jedoch unter Last einige merkwürdige
Geräusche, so dass mir gar nicht mehr so wohl war bei dem Gedanken an
die vor mir liegenden 20 Kilometer verbleibender Flugstrecke. Da ich auch
noch einen Lastabfall spürte, entschloss ich
mich zu einer Sicherheitsaußenlandung.
Immer wieder habe ich in den vergangenen Jahren mögliche Wiesen für
Sicherheitsaußenlandungen um Bochum begutachtet, mein
Überflugsvorhaben ist eben schon recht alt.
Eine mir sehr brauchbare Möglichkeit war am Fuße des
Tippelsberges
und für diese Landemöglichkeit entschied ich mich. Bei stärkerem
Wind hätte ich zur Haarstraße ausweichen müssen.
Bochums niedrigster Punkt "Am Blumenkamp" in Hordel, nahe der Zeche Hannover liegt
43 Meter über NN, der höchste "Kemnader Straße" in Stiepel liegt 196 Meter über NN. Auch der Tippelsberg gehört zu den höchsten Erhebungen Bochums (siehe auch Stadt Bochum,
Geographie und Straßenverkehr).
Auf der nebenstehend photographierten Bergkuppe des mit knapp drei Mio. Tonnen Bau- und Bodenschutt künstlich erhöhten
Tippelsberg liegt das aus holzbedeckten Gabionen erstellte Gipfelkreuz in
Nord-Süd-Ausrichtung. Die acht im Bild ebenfalls gut sichtbaren
Edelstahlstelen haben Gucklöcher und sind beschriftet mit dem, was man beim Durchsehen erblickt. Der Tippelsberg ist eine weitere sehr lohnenswerte
Naherholungsoase.
Mein Gegenanflug zur Landewiese wurde von den
versammelten Spaziergängern interessiert begutachtet.
Unterhalb des Tippelsberges konnte ich die auserkorene Landewiese an der Hiltroper Straße in verschiedene
Richtungen überfliegen und anhand der jeweiligen Fluggeschwindigkeit gut
ausmachen, aus welcher Richtung der schwache Wind kam. Gegen den Wind landete ich
nach Lehrbuch. Ein genialer Flug!
Martin brauchte von Waltrop nach Bochum gerade mal soviel Zeit, wie ich zum
Einpacken des Fluggerätes und für ein paar Gespräche mit
vorbeikommenden Passanten brauchte.
Bald nach meiner Landung kam Martin mit dem verdienten Landebier angefahren
und ich konnte noch drei Bodenbilder machen, dann war die Karte voll.
Meine Landung konnte Martin nun aber leider nicht mehr filmen.
In der Luft hatte ich vermutet, dass ich vielleicht zu viel Benzin verbraucht
hatte, weil ja doch entgegen der Wettervorhersage kein Nordwind, sondern eher
Südwestwind vorherrschte. Aber der Tank war noch halb voll, ich hatte nur
vier Liter Benzin verbraucht.
Ich nehme an, dass sich etwas vor oder in
die Düse im Vergaser gesetzt hat. Der
Wechsel des Gaszugs ist sowieso nötig, dabei werde ich den Vergaser
besonders akribisch reinigen. Auch ein neuer Kraftstofffilter wird
förderlich sein.