Notlandung im Distelfeld


Mit Andreas und Lutz traf ich mich am Sonntag, dem 6. Juli 2003, auf dem Flugplatz Hegenscheid.

Den ganzen Tag über schon hingen dicke und dunkle Wolken recht tief, aber nach Regen sah es nicht aus. Auch der Wind war nicht stark, mit vier bis fünf Knoten blies er aus nördlicher Richtung.

Die Sorpe sollte unser Ziel sein.

Alsbald waren wir über Garbeck und über Frühlinghausen. Die Sicht war nicht sehr gut, aber immer noch ordentlich über den vorgeschriebenen Werten: sowohl Boden- als auch anderthalb Kilometer Fernsicht waren gewährleistet.

Wie eine Modelleisenbahn lagen die Bahnstrecke und der Bahnhof von Balve unter mir.

Unterwegs überflogen wir, der Bahnlinie folgend, eine Kläranlage. Eine andere folgte etwas später. Die Brücken in den runden Becken drehen sich tatsächlich, wenn auch recht langsam.

Eigentlich sollten die sauerländischen Kläranlagen, von denen man übrigens in ausreichender Höhe nichts riechen konnte, das Thema dieses Berichtes sein.

An der B229 zwischen Balve und Beckum liegt ein großer Steinbruch (rechts auf dem Bild gerade nicht mehr zu sehen) und ein wohl zugehöriger Verarbeitungsbetrieb.

Fast im ganzen Sauerland ist gerade Schützenfest. Ich hatte beim Überfliegen des Ortes noch Bedenken: "Hoffentlich verwechselt mich niemand mit einer Flugente..."

Und dann war Deilinghofen erreicht, was wir auch eine ganze Zeit lang überflogen. Hemer war durch den Dunst auch schon zu erkennen.

Um von Deilinghofen nach Ihmert zu kommen, muss eine längere Strecke über Wald und einen Berg geflogen werden. Trotz der Kälte, die inzwischen die Kleidung durchdrungen hatte, bauten wir entsprechende Höhe auf, um im Falle einer Notlandung noch genügend Reserven zum Erreichen eines sicheren Landeplatzes zu haben.

Dennoch dachte ich mir noch direkt in der Mitte des Waldes: "Hoffentlich passiert an dieser Stelle nichts." - Und Glück gehabt, ich kam noch ordentlich in Richtung Ihmert voran, als mein Motor anfing, sehr laut zu werden und - so hatte ich das Gefühl - drastisch an Leistung verlor. Ahnend, dass mir wieder das Resonanzrohr gerissen war, schaltete ich den Motor ab, um eine Erhitzung und vielleicht ein Schmelzen des Tankes durch die heißen Abgase zu vermeiden.

Ohne Motor ging es viel zu schnell immer weiter runter. Zwar konnte ich an einigen Stellen etwas Aufwind nutzen, dennoch näherte ich mich dem Boden merklich. Aus meiner Sicht eignete sich der Bereich zwischen dem Wald und dem Ort nicht besonders für eine Notlandung, es würde besser sein, es noch über die Häuser auf die andere Seite zu schaffen.

Ich zog den Motor noch einmal an, mit lautem Getöse startete er auch sofort. Das Wiederstarten während des Fluges wollte ich schon immer mal probiert haben - es geht problemlos!

Mit Halbgas konnte ich mit geringerem Sinken und dafür umso mehr Lärm weiterfliegen. Die Häuser kamen mir immer näher, wie das Photo zeigt.

Knapp aber gut erreichte ich den Ortsrand und steuerte die Wiese an, die ich schon von der anderen Seite des Ortes anvisiert hatte. Ein Steigen war mit dem Motor kaum mehr möglich, also schaltete ich ihn wieder ab. Aber da! Auf der anderen Seite der Straße eine bunte Blumenwiese - das sollte mein weicher Notlandeplatz werden.

Zwei Meter über Grund und nicht mehr in der Lage, die getroffene Entscheidung zu revidieren, entrang es mir recht lautstark eine unflätige Äußerung: Die schöne bunte Blumenwiese enttarnte sich als ein übles Distelfeld mit brusthohen Stechpflanzen!

Und obwohl ich ohne Windanzeiger stehend landen konnte, hatte ich später viel damit zu tun, die einzelnen Stacheln aus der Hose und aus meinen Beinen zu ziehen.

Viel länger war ich allerdings damit beschäftigt, den Schirm und seine vielen Leinen zu befreien.

Das Verbindungsstück vom Resonanzrohr in den Endtopf war gerissen. Über die Gründe kann gemutmaßt werden. Da es das dritte Schwingungsbruchproblem war, erscheint mir die Erklärung mit dem schlecht gewuchteten Propeller als plausibel. Vielleicht aber auch nur Zufall.

Nachdem ich das Problem nun gesehen hatte, war ich sehr froh, nicht mehr mit Vollgas geflogen zu sein und den Motor auch nur noch recht wenig gebraucht zu haben. Ein hin- und herschwingender Endtopf hätte durchaus den Propeller zerschlagen können. Übrigens habe ich das Bruchstück für das Photo nicht bewegt.

Obwohl ich an einer befahrenen Straße notlandete, hielt keines der vorbeifahrenden Autos an. Allerdings kam nach einiger Zeit ein nettes Rentnerpärchen angefahren, die meine Notlandung aus ihrem Garten aus beobachtet hatten und fragten, ob sie mir helfen könnten. Das freute mich gewaltig! Sie boten mir sogar an, einen Anhänger zu besorgen und mein Fluggerät zum nahen Flugplatz zu fahren! Aber auch Andreas war bald da und der Motor und der Schirm passten auch in sein Auto.

Das Bier und die Marzipan-Kekse schmeckten danach besonders gut. Insgesamt war es doch ein genialer Flug gewesen. Für 39,7 Flugkilometer brauchte ich in einer Stunde und neun Minuten knapp dreieinhalb Liter Benzin.

Noch am Flugplatz oben rief ich bei der Herstellerfirma des Motors an und sprach meinen Terminwunsch für den nächsten Tag auf Band. Und tatsächlich, am nächsten Tag hatte ich einen Termin in Hannover (vorsorglich hatte ich den Montag frei genommen, es muss ja noch ein Babybett gekauft werden) und mein Motor bekam nicht nur einen neuen Endtopf und viele andere neue Teile, die ich schon lange auswechseln wollte, sondern auch die fällige Jahresnachprüfung wurde gründlichst durchgeführt. Danke an die Jungs in Hannover, dass sie mich so schnell mal vorgezogen haben.

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Ulrich Franzke <sinus@ulrich-franzke.de>