Ein altes Lied, das ich schon immer sehr gemocht habe, ist das Lied „Der grimmig Tod mit seinem Pfeil“; ein Lied, das mit drei bis vier Strophen in vielen Liederbüchern zu finden ist. Das Lied handelt von der Vergänglichkeit alles Irdischen, Prof. Dr. Helmuth Schaffrath hatte es daher auch mit „geistlich, Vanitas, Tod“ klassifiziert.
Schon in den Zeiten unserer Zusammenarbeit in den späten 1980ern und frühen 1990ern hatte mich dieses Lied
fasziniert und ich habe es gerne mit den verschiedensten Instrumenten gespielt.
Und jetzt habe ich es für die Drehleier entdeckt. Die Drehleier ist in C gestimmt, der tiefste mögliche Ton ist das
G und das Problem mit dem Lied ist, dass es, wenn es in C gespielt wird, als tiefsten Ton das F hat. Die Drehleier ist ein Bordun-Instrument und ein C und ein G klingen immer mit (wenn man beide Bordunsaiten aktiviert hat). Spielt man dann das Lied in D, schwingen die beiden Bordunsaiten „unschön“ mit. Um das Problem zu lösen, kann man nun einfach die beiden Bordunsaiten einen Ton höher stimmen und genau das habe ich getan.
Insgesamt ist das Lied sehr tief intoniert und es stößt mich an meine Sangesgrenzen, singe ich Bariton? Na, dann bin ich der Typ, dem oben das fehlt, was er unten auch nicht hat (so meint meine liebe Frau Astrid). Gespielt habe ich es mit einer Drehleier von Bernhard Petz:
Sucht man im Netz, bestätigen sich die Angaben, die Schaffrath schon in den späten 1980ern zu diesem Lied gemacht
hatte: „Die Weise ist weltlichen Ursprungs und gehört zum Lied von der
Schlacht bei Pavia (1525). Gedruckt wurde sie zuerst 1535 mit einem
evangelischen Choral. Erst von 1617 ab findet sie sich zu obigem Text
in katholischen und später auch in evangelischen Gesangbüchern.“
Unten habe ich ein paar Strophen des Liedes aufgeführt, die Strophen 1, 9 und 14 werden sehr oft in der Literatur zu dem Lied angegeben, auf diese drei Strophen bezieht sich auch Schaffrath mit „obigem Text“.
Möchte man andere Strophen haben, wird die Suche aufwändiger. In gescannten, alten Büchern konnte ich im Netz dennoch einiges finden. Drei interessante Quellen:
a.) Vier schöne neue christliche Lieder (1630),
b.) Drey Neuwe christliche Lieder allen Christen zu nutz und trost (1612) und
c.) Drey schoene newe Christliche Lieder (1685)
Die eingescannte und oben benannte Literatur zeigt nun auch, dass es sowohl verschiedene weitere Strophen gibt, sie zeigt aber aus meiner Sicht noch viel interessanter, dass die lezte Strophe unterschiedlich ist. Während z.B. in b. die letzte Stophe die (unten stehende) 13 ist
ist in a. die 14 als als letzte Strophe aufgeführt, der die 13 noch vorangestellt ist. In neuen Transkriptionen fällt die 13 dann ganz weg, mir war die Strophe 13 bis vor Kurzem auch nicht bekannt.
Die Texte sind teilweise schon „recht unappetitlich“, wenn es da zum Beispiel in Strophe 7 heißt:
„...von all'm dei'm Hab musst'u ins Grab, von Würmern wirst gefressen.“
oder eine Strophe später „...deine Hirnschaln ist g'worden kahl, dein Auglein sind gefressen, man find't allein die Totenbein, die Welt hat dein' vergessen.“
Für meine gesungene Version habe ich mich für die Strophen 1, 2, 3, 4, 9, 10, 11, 12 und
13 entschieden, neun Strophen sind wahrlich genug. Die Entscheidung fiel mir allerdings nicht leicht.
Der Ambitus des Liedes geht von EsAC -4 zu 5 und beträgt damit 15 Halbtöne, die kleinste metrische Einheit ist die Viertelnote, die längste ist die am Schluß vorkommende ganze Note. Interessant ist sicher auch, dass bei diesem sechsphrasigen Lied (auch als dreiphrasig öfter zu finden) der Spitzenton (höchster Ton) in der letzten Phrase vorkommt (da allerdings am Anfang als zweite Note). Das Lied wird hier im 6/2 Takt dargestellt, auf die Taktstriche am Ende jeder Phrase habe ich verzichtet, da ich davon ausgehe, dass es in frühen Zeiten nie mit
Taktangaben transkribiert wurde. Es ist melodisch ein sehr schönes Lied:
Transponieren:
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Breite (px):
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Rote Noten für schwarze Tasten:
Oktavieren:
Der grimmig Tod mit seinem Pfeil
1.) Der grimmig Tod mit seinem Pfeil
tut nach dem Leben zielen.
Sein Bogen schießt er ab mit Eil'
und lässt nicht mit sich spielen
Das Leben schwind't wie Rauch im Wind,
kein Fleisch mag ihm entrinnen.
kein Gut noch Schatz find't bei ihm Platz:
du musst mit ihm von hinnen.
2.) Wann dir das letzte Stündlein kommt,
so heisst's, Urlaub genommen,
all Freund verlassen dich die Stund',
niemand will mit dir kommen:
Du musst allein dich geben drein,
zu reisen fremde Straßen.
Hast viel Gut's g'tan, so trag's davon,
sonst wird man dir nichts lassen.
3.) Dein Angesicht wir fallen ein,
die Auglein werden brechen,
das Herz in großen Ängsten sein,
der Mund kein Wort mehr sprechen,
dein schön' Gestalt auch werden alt,
die Puls wird nimmer laufen,
des Todes Schweiß mach dir gar heiß,
da kommt die Not mit Haufen.
4.) Dem du zuvor warst lieb und wert,
dem bringst jetzt ein Grausen,
der vor bei dir all Tag einkehrt,
der bleibt jetzt lieber draußen,
schleicht heimlich für bei deiner Tür,
kein G'sell will dich mehr kennen,
du liegst im Bett und seufzest stehts,
das G'wissen tut dich brennen.
5.) Bald nach dem Tod mit deinem Leib
wird man dem Grab zueilen,
der letzte Trost von Kind und Weib
ist Weinen und groß Heulen.
Ein halben Tag währt dann ihr' Klag,
als denn so werden's lachen,
man wirft dich 'nein, es muss nur sein,
man tut's kein'm anders machen.
6.) Im Grab verborgen warten dann,
viel Kröten und auch Schlangen,
die werden dann dein Hausg'sindt sein,
dich grüßen mit Verlangen,
ihr Gasterei wird dort sein frei,
keins darf die Zech' bezahlen,
sie kriechen 'nein bis auf die Bein,
machen's nach ihr'm Gefallen
7.) Dein' Freunde werden kurze Zeit,
um deinen Tod sich klagen,
im Mantel und im schwarzen Kleid,
ein halbes Jährlein tragen,
dann sagt die Rott' genad dir Gott,
dein' wer'n sie bald vergessen,
von all'm dei'm Hab musst'u ins Grab,
von Würmern wirst gefressen.
8.) Wenn dann verflossen ist ein Jahr,
dann bist'u schon verwesen,
der dich sucht find't kein Haut und Haar,
fragt wer du bist gewesen,
deine Hirnschaln ist g'worden kahl,
dein Auglein sind gefressen,
man find't allein die Totenbein,
die Welt hat dein' vergessen.
9.) Kein Mensch auf Erd' uns sagen kann,
wann wir von hinnen müssen;
wann kommt der Tod und klopfet an,
so muss man ihm aufschließen.
Er nimmt mit G'walt hin Jung und Alt,
tut sich vor niemand scheuen.
Des Königs Stab bricht er bald ab
und führt ihn an den Reihen.
10.) Wann du dann bist genommen hin,
kein Mensch wird nach dir fragen,
bald aus den Augen aus'm Sinn,
tut das g'mein Sprichwort sagen,
all Lieb und Treu wird man ohn' Scheu,
ins Grab mit dir einscharren,
Dem wem die Welt so wohl gesellt,
muss letztlich von ihr fahren.
11.) Vielleicht ist heut' der letzte Tag,
den du noch hast zu leben.
O Mensch, veracht' nicht, was ich sag:
nach Tugend sollst'u streben!
Wie mancher Mann wird müssen dran,
so hofft noch viel der Jahren,
und muss noch heut', weil d'Sonne scheint,
aus dieser Welt hinfahren.
12.) Darum oh Mensch sei stets bereit,
tu allzeit mannlich wachen,
wenn der Tod kommt zu seiner Zeit,
will dir den Garaus machen.
So lässt du dich ganz sicherlich,
in'n Kampf mit ihm begeben,
die ewig' Kron' trägst du davon,
wenn er dir nimmt das Leben.
13.) All' Kreatur lass fahren hin,
dein Schöpfer sollst'u lieben,
was du verlierst ist all dein G'winn
kein Leid lass dich betrüben,
mit Seel' und Leib dich ihm verschreib',
und lass ihn darnach walten,
so wird er dich glaub sicherlich
in seinem Schutz erhalten.
14.) Der dieses Liedlein hat gemacht,
von Neuem hat gesungen,
der hat gar oft den Tod betracht'
und letztlich mit ihm gerungen.
Liegt jetzt im Hohl, es tut ihm wohl,
tief in der Erd geborgen.
Sieh auf dein Sach', du mußt hernach,
es sei heut oder morgen.
Auch in der oben benannten Literatur lassen sich noch weitere Strophen finden, vor allem in c. gibt es weiteres. So findet sich da unter anderem die Strophe:
Das Fleisch wird stinken wie ein Aas
kein Mensch mag bei dir bleiben,
wird ihn verstopfen Mund und Nas,
dich aus Gemein vertreiben,
du musst hinaus, bald aus dem Haus,
die Leut' ob dir erschrecken,
man deckt dich zu, du schläfst mit Ruh,
niemand wird dich aufwecken.
Sicher werden (nicht nur in der angegebenen Literatur, dort insgesamt 25) noch viele weitere
Strophen zu finden sein.
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Ulrich Franzke <sinus@ulrich-franzke.de>