Dorsten

Die Überschrift über diesem Flugbericht hätte auch "Was kostet eigentlich so ein Start: Ein Arm und ein Bein?" oder "Wie gerne schreibe ich über den problemlosen Start" lauten können. Am Nachmittag des 3. Septembers 2010 wollte ich vom Flugplatz Schwarze Heide in Dinslaken starten. Als ich den Schirm auf der Wiese ausgelegt hatte und mich in das Gurtzeug einhängen wollte, kam ein VW-Bus angefahren und stellte sich vor mich, genau in meiner Lauf- und Startrichtung. Zwei Herren stiegen aus uns stellten sich mit den einleitenden Worten "Bezirksregierung Düsseldorf" vor. Sie baten mich, meine Fluglizenz sehen zu können und meinten im gleichen Satz, dass sie die Anzahl der schwarzen Schafe und lizenzlosen Flieger etwas dezimieren wollten. Obwohl ich eine gültige Fluglizenz besitze, wurde ich sehr nervös, denn ich hatte das Flugbuch und die Versicherungsbescheinigung nicht dabei. Die Herren waren aber mit der Flugpappe vollauf zufrieden und wünschten mir einen guten Flug.

Bei fast Nullwind machte ich mich also fertig und rannte los in Startrichtung Norden, aber der kaum spürbare Wind aus nördlicher Richtung drehte um 180 Grad und ich hatte Rückenwind; zwar nur einen sehr schwachen, aber auch sehr intensiv wirkenden und unangenehmen Rückenwind. Der Schirm überholte mich und bevor ich einen Startabbruch machen konnte, verdrehte sich mein linkes Knie und ich stürzte.
Den Motor konnte ich rechtzeitig ausmachen, dann saß ich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Wiese und war mir bewußt, dass ich nun in kürzester Zeit einen Funkspruch an den Turm senden müsste; aber zum Funken tat das linke Knie viel zu sehr weh. Es kostete mich viel Überwindung die einfache Wortsequenz "Delta Mike Uniform Fox Romeo - Startabbruch" zu sprechen. Dann blieb ich eine lange Zeit einfach sitzen.

Nach etwa zehn Minuten legte ich mit starken Schmerzen den Schirm erneut aus, lud mir den Motor auf den Rücken und schaffte einen Start. Ein verdienter Flug nach Dorsten, den ich mir für diesen Tag vorgenommen hatte, konnte beginnen. Dorsten kann als eine nördliche Ruhrgebietsgrenze gesehen werden, jedenfalls aber als die letzte größere Ortschaft vor dem nördlichen Ende des Ruhrgebietes.

Meine Flugroute führte mich auch über den Campingplatz Tillessensee an der Bestener Straße.
Nördlich des obigen Campingplatzes, also genau auf der anderen Straßenseite im obigen Bild, liegt das Werksgelände der Euroquarz GmbH. Von hier aus konnte ich Dorsten hinter der Autobahn A31 schon sehr gut sehen.

Vom Flugplatz Schwarze Heide zur Dorstener Ortsmitte sind es etwa elf Kilometer, also nicht wirklich weit. Dennoch bin ich bisher erst einmal über dem Dorstener Ortsrand geflogen. Ein Flug über den Ort Dorsten hatte ich schon viele Jahre vorgehabt und sollte ihn nun endlich realisieren.
Lange Zeit folgte ich der Bestener Straße Richtung Osten. Der Wind hatte inzwischen auch etwas aufgefrischt und leichte Böen ließen den Schirm von Zeit zu Zeit etwas schaukeln.

Wahrscheinlich vertrieben sich einige der Patienten in den 311 Betten des St. Elisabeth-Krankenhauses die Zeit damit, einen Gleitschirmflieger über ihr Krankenhaus fliegen zu sehen. Einen Teil meiner Flugzeit verbrachte ich mit der Suche nach einem Hubschrauberlandeplatz, den ich dann auch nordöstlich des Hauses (im Bild hinter dem rechten Hausflügel) fand; da von einem Hubschrauber aber sowohl am Boden als auch in der Luft nichts zu sehen war, überflog ich das Krankenhaus.
Das im Jahre 1251 die Stadtrechte erhaltene Dorsten hat heute eine Einwohnerzahl von fast 80.000; es drängen sich hier auf einem km2 etwa 450 Menschen (was im Vergleich zu Bochum mit knapp 2.600 Menschen pro Quadratkilometer recht wenig ist.).

Im nebenstehenden Bild ist in der Bildmitte die katholische St. Agatha-Kirche zu sehen, die doch ein wenig Ähnlichkeit mit der Bochumer Propsteikirche hat, jedenfalls auf den ersten Blick.

Rechts oben im Bild befindet sich die evangelische Johanneskirche. Die in den Jahren 2002 und 2005 neu errichteten Wassergräben Ostgraben und Südgraben sind vor der Johanneskirche gut zu sehen.
Auf der Route der Industriekultur ist der Dorstener Bahnhof ein Standort der Themenroute 15 - Bahnen im Revier.

Der wunderschöne Bahnhof erinnerte mich an die Modelleisenbahn aus meiner Kindheit.

Zur Orientierung: Ganz unten links im Bild ist gerade noch ein Teil des Kupferdaches der Johanneskirche zu sehen.
Bis zur Dorstener Schleusenanlage des Wesel-Datteln-Kanals an der Schleusenstraße am Industriepark Dorsten/Marl (im Bild rechts unten) flog ich und konnte dabei beobachten, wie zwei Schiffe ganz langsam einen kleinen Teil der insgesamt neun Meter Hubhöhe gehoben wurden. Übrigens ist diese Schleusengruppe ein Standort der Themenroute 07 - Industriekultur an der Lippe der Route der Industriekultur.
Auf meinem Rückflug merkte ich noch mehr, wie der Wind stärker wurde; von windstill konnte keine Rede mehr sein. Wäre der Wind schon bei meinem Start so gewesen, wäre mir mancher Knieschmerz erspart geblieben.

Kleinere Blessuren, wie etwa die linksbeinig-unterschenkelige Latschennarbe, die ich mir bei meinem Start vom Tegelberg im April d.J. zugezogen habe, gehören aber zum Fliegen dazu und die schönen Bilder trösten über vieles hinweg.
Einen letzten Blick warf ich auf den Ortskern von Dorsten mit der schönen St. Agatha Kirche (Bildmitte) und der kleineren Johanneskirche (ganz links im Bild), dann flog ich zurück zum Landeplatz.
Ein besonderes Erlebnis war der Bussard, der mich mehrere Kilometer auf meinem Rückweg segelnd begleitete und nur von Zeit zu Zeit die Seite wechselte. Mal flog er links von mir, dann beschleunigte er und querte meine Route, um danach rechts von mir zu fliegen, dann wechselte er wieder nach links. Es war ein beeindruckendes Schauspiel!

Auf dem Bild ist gut zu sehen, wie wolkenverhangen der Himmel war, von der Sonne war weit und breit nichts zu sehen. Um so zufriedener bin ich mit der Leistung und den Ergebnissen des neuen Photoapparates.

Meine Landung war, dem Knie entsprechend, brauchbar. Kurz über dem Boden zog ich die Steuerleinen ganz durch und schaffte dadurch eine gute Vollbremsung. Zwar kam ich stehend auf dem Boden auf, doch die Standfestigkeit des linken Knies änderte diesen Zustand nach wenigen Schritten.

Aber diese Bilder entschädigen für alles!
Auf unserem Gemeindefest der Gemeinde Seliger Nikolaus Groß an der Bochumer St. Liboriuskirche am folgenden Wochenende, zu dem wir wieder unsere Rollenrutschbahn aufgebaut hatten, konnte ich die Schmerzen nicht mehr aushalten. Am Abend wurde mir eine Innenbandzerrung diagnostiziert und eine schmerzstillende Salbe aufgetragen, sowie ein paar Schmerztabletten ausgehändigt. Das war wohl das erste Mal in meiner nun zehnjährigen Fliegerlaufbahn (fast, nur um zwei Tage versetzt, auf den Tag genau vor zehn Jahren hatte ich meinen ersten Höhenflug am Tegelberg), dass ich nach einem Flug einen Arzt konsultieren musste.