66 Minuten
Am Gründonnerstag, dem 9. April 2009, fragte mich Manfred per Telephon,
ob ich auch noch zum Berg kommen würde, an dem er zu dem Zeitpunkt schon
war. Natürlich hatte ich das vor und so traf ich ihn etwa eine Stunde
später oben auf dem Tegelberg. Der Wind drehte von östlicher immer
mehr auf nördliche Richtung und ich kam, nach einem Startabbruch, gut in
die Luft.
Die wenigen vor mir gestarteten Flieger kreisten wie die Fliegen um den
Honigtopf an den zu diesem Zeitpunkt noch wenigen Stellen, an denen es nach
oben ging. Da auch schon einige Drachenflieger dabei waren, mied ich diese
Stellen und flog weiter raus.
Weiter raus bedeutete aber auch geringere Aufwinde und so war ich nach wenigen
Minuten unterhalb der Höhe der Hornburg und hatte
somit über zwei Drittel der gesamten Höhe verloren. Damit wollte ich
mich nicht zufrieden geben und nutzte jede sich bietende thermische
Ablösung und jeden Aufwind und kämpfte mich in teilweise erschreckend
engen Kreisen wieder nach oben.
Es dauerte einige Zeit, bis ich es endlich wieder hoch geschafft hatte, aber
irgendwann war ich wieder auf der Höhe der Bergstation, wie auch das
nachfolgende Photo zeigt. Je höher ich kam, um so ruhiger wurde es in
der Luft, je höher ich kam, um so mehr andere Flieger fand ich um mich
herum.
Da ich es sicherer finde, wenn weniger Flieger in meiner Nähe sind,
musste ich nicht lange nachdenken - die ruppigere und bodennahe aber
fliegerfreie Luft der Hornburg war mir lieber, ich flog also wieder nach unten.
Ich flog nach unten auf die Gefahr hin, dass es das Ende meines Fluges
bedeuten könnte...
Weit gefehlt, das Ende meines Fluges bedeutete der Abstieg auf keinen Fall.
Zwar war ich schnell wieder knapp unterhalb der Hornburg, konnte mich aber auf
dieser Höhe von der immer stärker werdenden Frühjahrsthermik
hochtragen lassen, immer wieder so hoch, bis ich die gewonnene Höhe mit
ein paar Photos wieder abbaute. Teilweise musste ich wieder sehr enge Kreise
fliegen, um die sehr dünnen Thermikschläuche optimal auszureizen.
Dafür erreichte ich aber auch Steigwerte von über vier Metern
pro Sekunde.
Teilweise flog ich sehr nah über Gund, manchmal meinte ich, die Spitzen
der Bäume mit den Füßen berühren zu können.
Die Sonne schien auf meinen Schirm und wenn ich in östliche Richtung flog,
konnte ich den Schatten meines Schirmes auf dem felsigen Grund schräg
unter mir sehen.
Plötzlich hörte ich das unangenehme Geräusch
sich zusammenfaltender Gleitschirmfolie und im nächsten Moment sah ich,
dass der Schatten meines Schirmes sich um einiges verkleinert hatte. Als ich
gerade anfangen wollte, im Winkel von 45 Grad zu sitzen, schaute ich nach
oben - der Schirm hatte sich schon wieder aufgebaut!
Ich bin sehr zufrieden mit meinem neuen Schirm, er fliegt ausgesprochen
gutmütig und dennoch spritzig, er reagiert brauchbar schnell auf die
gegebenen Kommandos durch Steuerleinen und Gewichtsverlagerung. Auch mit
den Kombi-Tragegurten und der Farbe komme ich inzwischen klar. Was mich im
Moment noch stört sind die Griffe der Steuerleinen, die keine brauchbaren
Aussteifungen besitzen und sich nach dem Loslassen und dem Betätigen des
Photoapparates schlecht wieder greifen lassen. Das Labberzeugs werde ich wohl
durch meine alten Nova-Griffe ersetzen.
Noch ein paar Mal hörte ich das Geräusch der Folie über mir,
unten hängend merkte ich jedoch nur, dass der Schirm manchmal etwas
unangenehm vibrierte. Sicher brachte er mich wieder zu Boden. Nach 66 Minuten
landete ich stehend ohne Probleme.
Probleme hatten einge
andere Flieger beim Landen: Einer wickelte sich dermaßen
in seine Leinen ein, dass er sicher einige Zeit zum Sortieren brauchen wird.
Ein anderer ließ sich von seinem Schirm mehrere Meter über die Wiese
ziehen - jetzt weiss ich, warum die Nasenlöcher nach unten zeigen...
Manfred machte es richtig, er landete nicht auf dem offiziellen Landefeld,
sondern ausserhalb auf einer Wiese, auf der es etwas ruhiger war.
Nach 66 Flugminuten in teilweise sehr ruppiger Luft, mit Steigwerten über
vier Metern und Fallwerten von bis zu fünf Metern war ich völlig
ausgelaugt - aber glücklich!
Den Vormittag verbrachten wir bei den Kälbchen des
benachbarten Bauernhofes und auf dem nebengelegenem Spielplatz. Die
Bäuerin des Hofes unterbreitete uns, dass wir wahrscheinlich noch
mindestens ein neues Kälbchen diesen Urlaub erleben werden - die Kinder
freut es.