Monsterklapper
Der 19. April 2011 sollte ein Flugtag werden. Als ich am frühen Nachmittag
auf dem Tegelberg ankam, standen einige Flieger am Nordweststartplatz und
warteten auf drehenden
Wind, der zu dieser Zeit vorwiegend aus östlicher Richtung kam.
Der Oststart ist bei den
meisten Fliegern unbeliebt, da man eine enge und steile Holzrampe zum
Starten benutzen muss, die nach einigen Metern endet. Hat man es bis zum Ende
der Rampe nicht in die Luft geschafft, bleibt nur noch der Fall einige Meter in
die Tiefe.
Ich mag den Oststart, natürlich auch, weil es dort so gut wie keine
Wartezeiten gibt.
Kurz nach meinem erfolgreichen (Ost-)Start merkte ich, wie turbulent und
ruppig der Flug werden
würde - anspruchsvoll und extrem sportlich.
Wie am
Vortag wollte ich am
Westgrat des Tegelbergs fliegen und steuerte diesen nach
meinem Start an. Je näher ich
am Berg flog, um so öfter hörte ich die Folie über mir
rascheln - ich hatte einige Klapper. Es war extrem thermisch,
ich erreichte Steigwerte von über fünf Metern pro Sekunde. Aber es
war auch irgendwie ein Deckel drauf, eine Inversionsschicht, die mich immer
nur knapp unter Starthöhe kommen ließ; sobald ich diese Höhe
erreicht hatte, wurde es extrem turbulent und ich hatte in der verwirbelten
Luft Klapper.
Klapper sind normal; wenn der Schirm in eine Scherung kommt, klappt es eben
einen Teil der Kappe ein. Man sitzt für einen kurzen Moment schräg,
was sich, wie auf dem nebenstehenden Photo zu sehen ist, auf die Aufnahmen
auswirken kann.
Der Schirm erholt sich in der Regel
aber so schnell, dass
man kaum Chancen hat, seinen eigenen Klapper zu beobachten. Schaut man dann,
nachdem man die erste Schieflage überwunden hat, nach oben, ist alles
wieder normal.
Während meines Fluges an diesem 19. April hatte ich mehrere dieser
"schrägen" Photos.
Mitten in einer ordentlichen Thermikblase mit mindestens vier Metern pro
Sekunde und
kurz vor dem Ende des Westgrates und zum Glück einige hundet Meter
über Grund hatte ich plötzlich einen so extremen Klapper, wie ich
ihn noch nie hatte. Ich hörte und spürte, wie über mir der
Schirm weggerissen wurde. Nach dem Bruchteil eines Augenblickes, als der
Schirm sich noch immer nicht stabilisiert hatte, schaute ich nach oben und
sah den freien Himmel über mir und nur ein paar Tuchfragmente mit einer
Fläche von höchstens noch zwei oder drei Quadratmetern. Der Schirm
hatte sich total gerollt und gefaltet, die Flügelspitzen zeigten
zusammengedreht nach vorne. Der Schirm war weg und über mir war
bloß noch
ein großes Knäuel aus Tuch und Leinen!
Ein Moment des freien Falles folgte. Während ich noch nachdachte, was ich
tun sollte und die Steuerleinen schon kurz nach unten reissen wollte,
öffnete und erholte sich der Schirm wieder. Ich konnte sehen, wie er -
mit rasender Geschwindigkeit -
wieder seine gewünschte und benötigte Form annahm: Aus dem
zerfalteten Tuchbündel über mir wurde wieder ein Schirm.
Das Variometer hielt diesen kurzen, aber extremen Moment mit einer maximalen
Fallgeschwindigkeit von sechseinhalb Metern pro Sekunde fest.
Den ganzen weiteren Flug hielt ich den Photoapparat nach oben, um einen
Klapper mal photographieren zu können, es war mir aber nicht
vergönnt.
Es war nun genug, ich wollte in ruhigere Gefilde. Ich merkte, dass es für
diesen Tag genug der Fliegerei war, obwohl ich bis zu diesem Zeitpunkt
vielleicht erst 20 Minuten in der Luft war.
Mindestens weitere zehn Minuten genoss ich die angenehme Ruhe und die
dennoch spürbare Thermik der Hornburg.
Es war mein Flugtag - was auf dem nebenstehenden Photo auch dadurch bezeugt
wird, dass ich die richtigen Schuhe - eben meine Flugschuhe - trug.
Ich hatte während des ganzen Fluges, auch im Moment meines Monsterklappers,
keinen Augenblick lang Angst gehabt. Ich bin mit einem unendlich großen
Gottvertrauen trotz der vielen kleinen und des einen großen Klappers
gut und sicher geflogen.
Nach einer Flugzeit von etwa einer halben Stunde landete ich wieder auf der
Landewiese neben der Talstation der Tegelbergbahn. Ich war flugsatt und es
ging mir sehr gut. Es war ein wirklich schöner Flug gewesen.
Die Kinder hatten am Roßhauptener Dorfteich gesehen, wie eine Libelle
in ein Spinnennetz flog und sich dort nicht mehr befreien konnte. Nach einer
Zeit der Überlegung beschlossen sie, das Tier zu retten.
Die Spinne hatte die Libelle wohl auch schon entdeckt, die befreite Libelle
wirkte die erste Zeit fast wie tot, zumindest total paralysiert.
Nach einiger Zeit kam aber wieder Leben in die Libelle und sie versuchte,
sich auf den Beinen zu bewegen. Nach und nach gelang es ihr auch.
Nach einer halben Stunde machte sie die ersten Flugversuche, sie
kam zwar noch nicht sehr weit, aber "der Start war gut" und die Landung auch.
Die Kinder waren nicht wegzubewegen von der geretteten Libelle, die sich immer
mehr erholte. Voller Spannung wurde zugesehen, wenn das Tier wieder einen
Bewegungsversuch startete. Und liebevoll wurde die Libelle "gerettet", wenn der
Flugversuch auf dem nahegelegenen Weg (oben links im Bild) endete und Gefahr bestand, das jemand
sie zertreten könnte.
Nach fast einer Stunde war es klar: Die Libelle würde überleben!